Paradox? - Nur wenn Sie keine Ahnung haben!
Sie wissen sicher, was paradox ist? Gut! Aber wissen Sie auch wo Paradox zu finden ist? Nein? Hier erfahren Sie es! Vor allen Dingen auch warum.
Paradox liegt im Westen Colorados. Es ist eine kleine Farm- und Ranch-Community im gleichnamigen Valley, das durch den Dolores River gebildet wurde. Die CO 90 durchzieht das Tal fast auf der ganzen Länge. Nahe der Brücke über den Colorado River befindet sich der historische Store von Bedrock. Obwohl nur wenige Häuser umfassend hat Bedrock ein eigenes Postamt. Zwar sind wir hier in Colorado, trotzdem ist Moab, UT die nächstgelegene Stadt. Man erreicht Paradox von Moab auf der US 191 in südlicher Richtung, biegt dann an der LaSal Junction nach Osten auf die UT 46 ab, die ab der Stateline die Bezeichnung CO 90 trägt. Man kommt durch LaSal, einer kleinen Ansiedlung, die ihre beste Zeit vor 50 Jahren während des Uran-Booms hatte - die berühmte Mi Vida Mine von Charlie Steen liegt südlich nicht weit von Rande des Lisbon Valleys. Einige Meilen weiter befindet sich die Ghost-Site Old LaSal, dann taucht man mit Hilfe von Haarnadelkurven ins Tal des LaSal Creek ab. Hier ist altes Mining-Gebiet und wer sich umsieht, wird überall Wege, Halden und Stollen entdecken. Seit einigen Jahren wurde der Bergbau mit der Pandora-Mine wiederbelebt, nicht ohne heftigen Widerspruch durch Naturschutzorganisationen. Nach einigen weiteren Meilen biegt die Strasse in den Spring Creek Canyon ab um endgültig über einen kleinen Pass zum Paradox Valley hinüber zu führen.
Ungewöhnlich, dieser Name! Paradox - was soll hier paradox sein?
Halten Sie doch mal in der Linkskurve, dort wo die Strasse die Cliffs durchstösst und das Tal sich öffnet, an. Ein kleiner Platz neben dem Teer erleichtert die Sache. Paradox Valley liegt zu Füssen, auf beiden Seiten von den üblichen Cliffs gerahmt. Im Westen ragen die LaSal Mountains hoch auf. Nach Osten erheben sich am Horizont die oft schneebedeckten Gipfel der San Juan Mountains. Ouray, Silverton, Durango wären dort zu nennen.
Schauen wir mal genauer hin. Ungewöhnliches ist zu entdecken!
Normalerweise schneiden sich Flüsse längs ihres Laufes ein, bilden ein Flusstal. Hier haben wir aber ein fliessendes Gewässer, das auf der Südwestseite des Tals - sozusagen aus der Wand - in dieses eintritt, es nahezu auf dem kürzesten Weg überquert um dann auf der gegenüber liegenden Seite wiederum in einem engen Canyon zu verschwinden - ein Tal, das an beiden Enden ansteigt! Kurios, um nicht zu sagen paradox! Da haben wir die Quelle des Namens! Die ersten Siedler erkannten die ungewöhnliche Konstellation natürlich auch, benannten den Ort dementsprechend.
Wie kommt das?
Das Tal ist gar kein Tal! Wie bitte? Nun, es ist lediglich der "Abdruck" eines teilweise verschwundenen Salzstocks, der buchstäblich aufgelöst wurde.
In grauer Vorzeit lag im Osten Utahs bzw. Westen Colorados ein flacher Meeresarm. Es entstanden Salzablagerungen von grosser Stärke - so wie in Norddeutschland. Diese wurde später unter enormen Sedimentschichten begraben, welche durch ihr schieres Gewicht einen ungeheuren Druck ausübten.
Unter Druck werden Salze plastisch, fliessen wie Honig! Das geschah, das Material wurde durch Schwachstellen der überlagernden Sedimentschichten nach oben gequetscht, hob diese mit an, bildete langgestreckte Erhebungen. Dass die durchstossenen Schichten zum Tal hin ansteigen kann man gut in den sog. Portalen des Flusses erkennen.
Diese entstehenden Hügel wurden später wiederum durch Ablagerungen überdeckt, verschwanden im Untergrund. Bis eines Tages Erosion einsetzte! Flüsse hatten sich auf der Oberfläche des Landes etabliert, schnitten in die Ablagerungen ein. Es kam, wie es kommen musste - irgendwann erreichten sie die nach oben gepressten Salzlager, lösten diese an! Die Vorkommen wurden abtransportiert, darüber liegende Schichten sanken ab. Zuguterletzt blieb ein länglicher Trog zurück, der am Ufer des abtransportierenden Flusses am tiefsten ist, weil dort am meisten Material entfernt wurde. Daher steigen diese Lösungs"täler" auch nach beiden Enden vom Fluss weg an.
Paradox Valley ist im Übrigen nicht das Einzige in seiner Art. Hier im Umfeld der LaSal Mountains ("sal" = spanisch für "Salz") gibt es einige davon. Da bekannteste: Spanish Valley, in dem Moab liegt. Auch dort ein Fluss, der das Tal auf kürzestem Wege überquert, Portale bildet. Da sind noch Lisbon Valley, Big Gypsum Valley, Dry Creek Basin, das Salt Valley im Arches National Park, Castle Valley und das Fremden kaum bekannte Sinbad Valley - das kleinste von allen.
Alle Salztäler (oder auch -tröge) verlaufen parallel von NW nach SO. Spanish-, Castle- und Salt Valley (Arches) sind auf den Colorado River zurückzuführen, Paradox auf den Dolores River. Das kleine Sinbad Valley entstand mit Hilfe des Salt Creeks - nomen est omen! - der aus den LaSals zum Dolores River fliesst.
Der Lösungsvorgang schreitet auch heute noch fort. Am Eingang zum Valley ist der Dolores River kaum mit Salz belastet, beim Verlassen des Tales aber stark! Er transportiert jedes Jahr mehr als 200.000 Tonnen davon ab. Von der Mitte des Tales bis zum Fluss-Ausgang treten regelrechte Salzquellen aus, entwässern in den Fluss. Im Boden findet man Grundwasser, das 8 mal salziger als Meereswasser ist.
Die relative Ebene des Talbodens war für Siedler attraktiv. Es entstanden zwei Ansiedlungen. Bedrock, die kleinere von beiden liegt auf der Nordseite der Brücke, auf der die CO 90 den Dolores River überquert. Urprünglich ein kleiner Trading Post erhielt es 1883 ein Post Office (ZIP: 81411). Der Store war zwischenzeitlich geschlossen, besteht aber wohl weiter.
Weiter nordwestlich im Tal befindet sich das grössere Paradox. Beide Siedlungen sind keine "incorporated towns", haben somit keine eigene Verwaltung. Nach dem Sprachgebrauch des Westens "one horse towns"! Auch Paradox besitzt ein eigenes Post Office (ZIP 81429).
Man sieht keine Menschenseele, kommt sich ein bisschen wie ein Eindringling vor. Fahren wir zurück zur CO 90, nach Bedrock und über den Fluss. Nahe der Brücke kann man die geologische Situation im südlichen Portal gut erkennen.
Knapp 1,5 Meilen östlich der Brücke zweigt eine Gravelroad nach links ab (12S 0687170, 4242120), zielt mehr oder minder auf das zweite Portal. Hier wollen wir uns umsehen.
Diese Road ist Pkw-geeignet, bildet eine Alternativroute, wenn man in Richtung Naturita und weiter zu den San Juan Mountains gelangen möchte. Kürzer als die CO 90 ist das nicht, aber einfach mal etwas anderes! Historisch interessant ist sie in jedem Fall.
Der Canyon des Dolores Rivers hat hier nicht die Tiefe mancher anderer Flusscanyons des Südwestens. Dafür hält er eine andere Überraschung bereit.
An der Mündung des San Miguel Rivers biegt die Road nach rechts in den Canyon des San Miguel ab. In der Wand der gegenüber liegenden Seite des Flusses erkennt man die Überreste einer Stützenkonstruktion, die einst einen hölzernen Wasserkanal trug.
Einige Meilen flussab hatte man oberhalb des Dolores Rivers Gold vermutet und mit entsprechdem Mining begonnen. Was fehlte war Wasser. Daher entschloss man sich, in der Wand des Canyons über viele Meilen eine hölzerne Wasserleitung zu bauen. Wie einen Mühlgraben! Das geschah oft unter Lebensgefahr - die Arbeiter wurden von oben an Seilen herabgelassen, stemmten die Löcher ins Gestein, befestigten die Tragegestelle und schliesslich die hölzerne Rinne.
Warum man nicht auf die Idee kam, unterhalb der vermeindlichen Fundstelle am River eine Dampfpumpe zu installieren ist bis heute ungeklärt. Technisch wäre es möglich gewesen, hätte allerdings auch nicht zu den erhofften Reichtümern geführt, da sich die Fundstelle als wenig ergiebig erwies.
Die Road führt uns durch den San Miguel Canyon in Richtung Uravan, eine der berühmt-berüchtigten "Yellow-Cake"-Towns des Uranbooms der 50er/60er Jahre des 20. Jh. In den letzten Jahren wurde ein grosses Sanierungsprogramm gestartet, das die radioaktiven Abfälle, die hier wie auch an anderen Orten des Südwestens nach dem Ende des Booms einfach unbeaufsichtigt zurückgelassen wurden, sichern soll. Daher wird sich der genaue Strassenverlauf ändern. In jedem Fall gelangt man aber auf die CO 141. Rechts in Richtung Naturita, links geht es nach Gateway. Wir wählen den Weg flussab in Richtung Gateway.
Die UT 141 bewegt sich zumeist relativ hoch über dem Dolores River. Rechterhand bauen sich mächtige Navajo-Cliffs auf. Dann nach einigen Meilen eine Linkskurve. Im Kurveninneren eine Fläche zum Parken jenseits des Teers und ein Historical Marker. Ein bemerkenswerter!
Obwohl schon einige Meilen entfernt finden sich auch hier noch Reste der gewaltigen Flume. Der Historical Marker klärt über das Projekt auf, beschreibt seine Entstehung. Unglaublich, was Menschen in ihrer Gier nach Gold vollbrachten!
Hier soll die Geschichte enden. Gateway und der Unaweep Canyon - eine weitere geologische Rarität! - sind ausserhalb des Bezugs zum ungewöhnlichen Paradox Valley. Wer will kann von Gateway über die Gateway Road nach Moab gelangen und so den Kreis um die LaSal Mountains schliessen. Der Canyon des Dolores Rivers um Gateway ist immer einen Besuch wert!