Fly with the Eagle
Erster Teil: Moab - Halls Crossing
Mai 2006. Wir sind in Moab, haben telephonisch mit Tim Martin Kontakt aufgenommen, weil wir wieder einmal mit ihm fliegen wollen. Unsere Vorstellung wäre Samstag, der 27. Mai. Memorial Day-Wochenende und wie sich herausstellt, unrealistisch. Im Nachhinein betrachtet aber ein Glücksfall, denn dieser Tag erweist sich als ausgesprochen unfreundlich. Es ist sehr windig und teilweise entwickelten sich sogar Sandstürme.
Tim besorgt sich eine Maschine für Dienstag, den 30. Mai. Morgens früh - nach einem Breakfast im Coffee Shop finden wir uns am Canyonlands Airfield ein. Die Route haben wir vorab mit ihm besprochen, sie wird uns bis hinein ins nördliche Arizona führen. Vier Stunden Flug sind geplant. Es ist noch sehr ruhig, lediglich die Beamten der Luftsicherheitsbehörde sitzen schon in ihrem Office. Klar - Canyonlands Airfield - Kennung CNY - ist ein regulärer Verkehrsflughafen. Mit uns haben sie allerdings nichts am Hut, denn wir fliegen privat. Da gelten andere Regeln - oder vermutlich gar keine!
Tim Martin begrüsst uns. Allles ist vorbereitet, allerdings möchte er in Halls Crossing zwischenlanden und dort eine Sendung abgeben. Wir haben kein Problem damit - er macht das schon! Gemeinsam gehen wir hinaus aufs Rollfeld, wo die einmotorige Cessna 172N bereitsteht. 4 Sitzplätze, ein Motor, Hochdecker! Es wird eine Art Oldtimer-Veranstaltung - die Erstzulassung der Maschine datiert aus 1977. Die Rollenverteilung ist vorgegeben. Tim Martin übernimmt das Steuer, Lady steigt hinten ein (Vorteil: man kann nach beiden Seiten photographieren!) und ich belege den Copilotensitz. Oder sagen wir besser: Beiflieger! In der Tasche der Tür landen ein Zipbeutel mit Filmen und ein zweiter für die belichteten Filme! Lady hats in dieser Hinsicht wesentlich einfacher - eine digitale Spiegelreflex! Kopfhörer auf, wir sind ready for takeoff!
Generell ist das Photographieren aus solchen kleinen Maschinen mit einigen Tücken behaftet. Vorn ist es eng, man muss aufpassen, dass man dem Piloten nicht ins Gehege kommt. Einer hinten alleine hats da entscheidend besser. Nach vorn raus aufzunehmen macht wenig Sinn. man sieht nicht genug und der Propeller stört. Die Scheiben solcher Maschinen sind zumeist nicht sehr sauber, gelegentlich verkratzt. Auch die Tönung stört, verändert Farben. Spiegelungen sind nicht ausgeschlossen. Das Flugzeug bewegt sich mit Geschwindigkeiten zwischen 150 und 200 km/h über Grund. Will man was sehen, sollte die Flughöhe 2.000 Fuss (600 m) nicht überschreiten - oft ist auch noch wesentlich weniger angesagt. Stichworte: Bewegungsunschärfe, kurze Belichtungszeit, Tiefenschärfe. Alles auf einmal geht nicht, also muss man gelegentlich Abstriche bei der Bildqualität hinnehmen.
Langsam rollen wir in Startposition, der Tower gibt die Startfreigabe. Tim Martin und sein Vogel legen los. Ohne Kopfhörer wäre es jetzt verdammt laut! Von der über 2 km langen Bahn brauchts nur einen Bruchteil und wir sind in der Luft und drehen ziemlich genau nach Süden ab. Rechterhand liegt das lachsfarbene Gebiet des Bartlett Washs mit dem Kleinod Hidden Valley. Wir überfliegen Mill Canyon, haben plötzlich die Determination Towers unter uns. Beeindruckende Türme, ganz nah bei Moab und uns nach fast 20 Jahren bis dato noch nie untergekommen! Monitor und Merrimac Buttes zur Linken! Tim hält auf einen Punkt etwas westlich vom Dead Horse Point zu um zum Colorado River zu gelangen, der uns in der Folge leiten soll. Wir erreichen die Kante von Island in the Sky, befinden uns über dem East Fork des Shafer Canyons. Die Türme, die East- und Middle Fork trennen, liegen unter uns. Und dann Shafer Trail, White Rim und die Kreuzung zum Potash. Überhaupt White Rim Trail - seinen Verlauf kann man aus der Luft über viele Meilen verfolgen, sieht wie er Canyons wie Lathrop und Buck umgeht. Durch diese vielen Schleifen summiert sich die Länge der Route.
Von nun an folgen wir dem Verlauf des Flusses nach Südwesten. Mal rechts, mal links vom Strom der sich windet, während wir einen mehr oder weniger geraden Kurs steuern. Tim Martin ist hier zuhause, weiss genau, wie man wichtige Punkte ansteuern muss, um optimale Sicht zu haben. Ein Stück vor uns tut sich Monument Basin auf, dieses Highlight am White Rim mit seinen schokoladenbraunen Säulen, gekrönt von harten, weissen Decksteinen. Langsam gleitet die Maschine auf die Südostseite des Rivers. Unten das wilde Gebiet des Rustler Canyons mit seinem markanten Rincon. (Rincon = eine durch fortschreitende Erosion trocken gefallene Fluss-Schlinge) Dann die grandiose Loop des Colorado Rivers! Vom Boden aus kaum zu sehen, obwohl der Trail zum Colorado River Overlook kaum 2 km davon entfernt verläuft. Aus der Luft hingegen liegt die Doppelschleife in voller Pracht im Sichtfeld. Weiter rechts die abgetrennte Spitze Island in the Skys, - Junction Butte. Wildes Land, nicht zu befahren und kaum begehbar.
Das nächste Highlight wartet schon. Der Zusammenfluss von Green und Colorado River - Confluence! Obwohl noch teilweise im Schatten des frühen Tages liegend, ist der Trail zum Confluence Overlook gut auszumachen. Zwischen den beiden Flüssen, die schmale Zunge, deren Plateau von der Maze-Seite bzw. dem Doll House erwandert werden kann. Natürlich lassen steinernen, rot-gelb-weiss gebänderten Türme des Doll Houses nicht lange auf sich warten. Dort haben wir schon übernachtet, können den 4WD-Trail der beschwerlichen Zufahrt erkennen. Nichts für Anfänger! Cataract Canyon unter uns sieht von oben ganz sanft aus. lässt nur wenig von seinen Stromschnellen ahnen, - nur die Wände erscheinen gewaltig und unbezwingbar. Über 500 Meter tief hat sich der Fluss eingegraben. Clearwater Canyon schneidet wie ein Riss ins nahezu ebene Waterhole Flat hinein, zielt auf die Orange Cliffs, die vom Sunset Pass mit der Gunsight Butte durchbrochen werden.
Hite liegt vor uns und damit auch der mit Schlamm gefüllte, obere Teil des Powell Reservoirs. Am jenseitigen Ufer der Hite Overlook an der UT 95. Zum Horizont hin grau und geheimnisvoll die Henry Mountains. Farley Canyon am Südufer bietet einen unbefestigten Zugang zum Wasser. White Canyon ist noch immer mit Wasser gefüllt, das aus der Luft seinen hohen Schlamm-Anteil preisgibt.Von der vor 50 Jahren existierenden kleinen Gemeinde und der Uranium Mill sehen wir keine Spuren. Das nächste Canyon-System - Blue Notch Canyon - ist leicht zu identifizieren. An seiner Einmündung in den Glen Canyon steht die Landmark der Castle Butte. Rötlich ragt sie aus der grauen, umgebenden Fläche.
Im Farley Canyon gibt es noch ein ganzes Stück der ursprünglichen UT 95 vom Fry Canyon zur Hite Ferry. Heute wird sie als primitiver Zugang zum Wasser benutzt. Fährt man sie mit dem Auto, kann man noch alte Mile Marker finden.
Weiter geht die Reise auf der Südseite des Rivers und in Richtung Südwesten. Das Land wird flacher, zumindestens scheint es so. Zu den Henries hin erstreckt sich Ticaboo Mesa mit ihren kaum zugänglichen Canyons, linkerhand die Gegend um den Moqui Canyon, das eines der letzten ganz wilden Gebiete Utahs ist. Dann taucht der grosse Bogen vor uns auf mit der rund 200 Meter hohen und fast 2 km langen Tapestry Wall. Eine der grossen Sehenswürdigkeiten vom Boot aus, erschliesst sie sich aus der Luft nicht so sehr, obwohl die namensgebenden Streifen von Desert Varnish gut zu sehen sind. Um so eindrucksvoller hingegen der Doppelschleifen-Verlauf des Forgotten Canyons, mit Ironie von den frühen River Runnern so bezeichnet, weil die Landvermesser des USGS den Canyon bei einer ersten Vermessungsaktion in den 1920er Jahren schlicht vergessen hatten. Noch ein wenig weiter und wir überfliegen Moqui Canyon, - mindestens genauso eindrucksvoll ins Plateau eingeschnitten. Rechterhand Bullfrog Bay, dahinter die Ostflanke der Waterpocket Fold.
Tim Martin muss eine Sendung am Flughafen von Halls Crossing abliefern. Zwischenlandung! Er nimmt Funkkontakt mit dem Tower auf, umrundet den Platz nördlich um dann von Westen zur Landung anzusetzen. Gross und leer liegt der Platz in gleissender Sonne unter uns - ein Airport ganz für uns alleine! 1.700 Meter Landebahn mit statistisch 33 Flugbewegungen pro Woche! Keine Staus! Wir sind 88 Nautical Miles - 163 km - von Canyonlands Airfield entfernt. Cal Black Memorial Airport - Kennung UT 96!
Langsam kommen wir rein, eine sanfte Landung. Tim taxied die Maschiene vors "Terminal", parkt sie wie ein Auto. Einfach so! Wir steigen aus, vertreten uns ein wenig die Füsse, während Tim Martin das Paket abliefert.
Weiter geht es im 2. Teil über die Rainbow Bridge zur Coyote Butte